Interview anlässlich des 90. Geburtstags von HEINRICH DIEDERICH

Interview anlässlich des 90. Geburtstags von HEINRICH DIEDERICH

Lieber Herr Diederich, nachträglich zu Ihrem runden Geburtstag ganz herzliche Glück- und Segenswünsche, Freude, Gesundheit und Wohlergehen. Möge Gott, der Herr, auch weiterhin an Ihrer Seite stehen und Sie begleiten.
Nun möchte das Pfarrecho Sie einmal zu Ihrem Leben befragen:

Pfarrecho: Herr Diederich, wann und wo wurden Sie geboren? Hatten Sie noch Geschwister?
Herr Diederich: Ich wurde  am 12. März des Jahres 1934 als jüngstes von 3 Kindern in Rhumspringe geboren. Meine Eltern waren Luise und Otto Diederich.

Pfarrecho: Wie sah die religiöse Erziehung der Kinder in Ihrem Elternhaus aus?
Herr Diederich: Meine Mutter war sehr fromm. Sie ging fast jeden Morgen zum Gottesdienst. Das hat mich geprägt. Auch das Beten hat sie mir beigebracht. Mein Vater arbeitete als Maurer in der Fremde. Er kam nur alle 4 Wochen für jeweils 1-2 Tage nach Hause.

Pfarrecho: Erzählen Sie vom Fronleichnamsfest!
Herr Diederich: An diesem Tag hatten wir zu Hause eine große, weiße Ehrenpforte, die über die Straße reichte, aufgestellt. Vorher hatte meine Mutter sie mit Tannengrün umwickelt. Die Fenster wurden mit Heiligenfiguren und Kerzen geschmückt. Auch die Wallfahrten nach Rüdershausen und Hilkerode gab es schon zu meiner Kinderzeit.

Pfarrecho: Sie haben bestimmt auch eine Messdiener-Karriere hinter sich.
Herr Diederich: 1943 ging ich zur Erstkommunion. Im gleichen Jahr wurde ich in Rüdershausen gefirmt. Nun konnte ich Messdiener werden. Zuerst wurde man für mehrere Jahre Untermessdiener, später dann Obermessdiener. Jetzt durfte man das erworbene Wissen an die Jüngeren weitergeben.

Pfarrecho: Gibt es aus dieser Zeit ein lustiges oder bedeutsames Erlebnis?
Herr Diederich: Als ich das erste Mal das Weihrauchfass schwenken durfte, folgte ich mit dem Kopf immer den Schwenk-Bewegungen nach rechts und links. Dieses wurde von den Kirchen-Besuchern gleich heftig kritisiert.

Pfarrecho: Wie sah Ihre schulische Laufbahn aus?
Herr Diederich: Im Jahr 1940 wurde ich zu Ostern in Rhumspringe eingeschult. Ich zeigte wenig Interesse am Unterricht. Nach der Schule musste ich unsere Gänse hüten. Die Hausaufgaben waren ziemlich unwichtig. Aber viel gelesen habe ich, obwohl wir zu Hause kaum Bücher hatten. Deshalb fragte ich bei Nachbarn, Freunden und Verwandten immer wieder nach Literatur. 1947 schickten mich meine Eltern für 2 Jahre in die Klosterschule der Augustiner nach Germershausen. Dort musste den ganzen Tag über gelernt werden, hauptsächlich Mathe, Deutsch und Latein. Danach besuchte ich die Klosterschule der Augustiner in Münnerstadt in Unterfranken. Nun mussten wir auch noch Griechisch lernen. Pater Williges war einer meiner Mitschüler. Da wir auch dort gewohnt hatten, kamen wir nur in den Ferien nach Hause. Mit 20 Jahren legte ich in Münnerstadt mein Abitur ab.

Pfarrecho: Haben Sie noch Erinnerungen an die Kriegszeit?
Herr Diederich: Ich kann mich noch gut an das Drama um unseren Pfarrer Hartmann erinnern. Es war im Jahr 1942, damals war ich gerade 8 Jahre alt. Als ich von dem Vorhaben der Gestapo erfahren hatte unseren Pfarrer zu verhaften und den Auflauf vor dem Pfarrhaus entdeckt hatte, lief ich eilig nach Hause, um meine Mutter zu holen. Die Frauen waren sehr wütend und aufgebracht und eine von ihnen schlug einem SS-Mann ins Gesicht. Der Pfarrer kam aus dem Haus und wollte die Leute beruhigen. Daraufhin zog die Gestapo erst einmal wieder ab. Ein paar Tage später kehrten sie mit einem großen Aufgebot zurück und riegelten weite  Teile des Ortes ab. Dieses Mal konnten sie unseren Pfarrer Hartmann verhaften und ins KZ bringen.

Pfarrecho: Dann kamen ja Ihre Studentenjahre. Was und wo haben Sie studiert?
Herr Diederich: Nach dem Abitur 1954 überlegte ich ins Kloster einzutreten. 10 meiner Mitschüler waren Patres geworden. Doch die Regeln waren streng und ich fühlte mich zu eingeengt. Ich wollte lieber Lehrer werden und besuchte die Pädagogische Hochschule in Alfeld. Nach 3 Jahren legte ich dort meine Prüfung ab.

Pfarrecho: In welchen Orten wurden Sie als Lehrer eingesetzt und welche Fächer haben Sie unterrichtet? Ihr Lieblingsfach?
Herr Diederich: Ich wurde zunächst als Junglehrer für 4 Jahre in Hannover-Kleefeld eingesetzt. Nach dem 2. Staatsexamen stellte ich den Antrag auf eine Versetzung ins Eichsfeld. Im Jahr 1962 kam ich dann an die Volksschule in Rüdershausen. Dort gab es mit mir zusammen 4 Lehrkräfte, Herr Bernd, Herr Schneider und eine Lehrerin. Von den Lehrkräften mussten immer fast alle Fächer unterrichtet werden, aber am liebsten war mir das Fach Geschichte. Im Jahr 1967 kam ich unter Rektor Fröhlich an die Volksschule Rhumspringe. Dort blieb ich dann für 24 Jahre. Ich unterrichtete meistens in den 7. und 8. Klassen. Die letzten Lehrerjahre verbrachte ich in Gieboldehausen.

Pfarrecho: Welche Hobbys hatten Sie oder haben Sie noch immer?
Herr Diederich: Ich bin ein absoluter Vielleser. Am liebsten lese ich Krimis von ausländischen Autoren. Früher habe ich viel Weltliteratur gelesen. Außerdem war das Wandern meine große Leidenschaft, häufig zusammen mit den Familien von Hubert Neudecker und Rudolf Eckermann. Wir haben viele Gipfel in den Mittelgebirgen und in den Alpen erklommen. (Sogar Fotos vom Besteigen einer senkrechten Bergwand konnten wir bewundern.) Später kam noch der Heimatverein hinzu, dem ich bis heute treu geblieben bin. Ich betreibe viel Ahnenforschung. Außerdem haben wir dort 3670 DIN-4-Fotos vom Dorfleben aufgeklebt, beschriftet und in Folien verpackt. Die Fotos sind in eine bestimmte Systematik eingeteilt. Regelmäßig zeigen wir einen Teil davon in einer Ausstellung.

Pfarrecho: Auch bei den kirchlichen Diensten waren Sie stets besonders engagiert. Erzählen Sie!
Herr Diederich: Als 1965 das Konzil beendet wurde, beschloss Pfarrer Voß in Rhumspringe ein Pfarrkomitee ins Leben zu rufen, später wurde daraus der Pfarrgemeinderat. Ich war von Anfang an dabei, 25 Jahre lang bis zum Jahr 1990. 2 Perioden davon war ich Vorsitzender. Den Kommunionhelferdienst habe ich von 1973 bis 2018 ausgeübt, gelegentlich auch den Lektorendienst.

Pfarrecho: Welches war das bedeutsamste Ereignis während dieser Zeit?
Herr Diederich: Eindeutig der Bau unserer neuen Kirche, verbunden mit dem Abriss der historischen Kirche und einiger Neben-gebäude, sowie die  Aufhebung des alten Friedhofs und die  Anpassung des Geländes. Die neue Kirche wurde dann am 20. August im Jahr 1977 eingeweiht.

Pfarrecho: Ihr Lieblingspsalm? Ihre Lieblingserzählung aus der Bibel? Ihr Lieblingsgebet?
Herr Diederich: Ich lese jeden Morgen „Mit der Bibel durch das Jahr“. Am liebsten höre ich von Paulus „Das hohe Lied der Liebe“. Gern bete ich auch den Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte“. Und am liebsten singe ich das Lied „Deinem Heiland, deinem Lehrer...“.

Pfarrecho: Wie beurteilen Sie den Ist-Zustand der katholischen Kirche?
Herr Diederich: Über diese negative Entwicklung bin ich tief betrübt. Für mich ist es nicht erklärbar, dass unsere Volkskirche so schnell zusammengebrochen ist. Ich persönlich kann noch regelmäßig zum Gottesdienst gehen. Dafür bin ich dankbar.

Pfarrecho: Verraten Sie zum Schluss noch unseren Lesern wie man sich so erstaunlich fit hält.
Herr Diederich: Es ist eine Gnade, dass ich so alt werden konnte. Ich bin noch immer sehr am politischen und sportlichen Welt-geschehen interessiert. Ja, empfehlen kann ich viel Bewegung an der frischen Luft, viel lesen, interessiert bleiben, sich Beschäftigungen suchen, außerdem den Sinnspruch  „Mit Gott fang an, mit Gott hör` auf, das ist der beste Lebenslauf“.

Lieber Herr Diederich, vielen herzlichen Dank für Ihren vielfältigen Einsatz für unseren Kirchort Rhumspringe und für das interessante Interview.
Rosemarie Jütte / Monika Adam